Über die Paradiesgärten des Orients

Mal tief in den Brunnen der Geschichte geschaut:

Wer sich die Mühe macht, und in den tiefen Brunnen der Geschichte steigt, macht mitunter überraschende Entdeckungen. Manches, was in und modern zum Trend geworden ist, taucht in alten Bildern und Beschreibungen als schon längst etabliert und selbstverständliche kulturelle Praxis auf.

Da ging manchem der Zuhörerschar ein Ah und ein Oh auf, als Yousra Mousa aus Winterberg am Samstag im Kreishauspark im wunderschön geschmückten Zelt am KultUR-Garten des Vereins Brilon Mittendrin e.V. über die Traditionen des Paradiesgartens bzw. orientalischer Gärten erzählte. Spannend entfaltete sie einen kulturhistorischen Bilderbogen, der Grundsätze der Lebenseinstellung, der Architektur und der Gartenbaukunst miteinander verknüpfte. Das Wohlbefinden des Menschen sollte in allem im Mittelpunkt der Bemühungen stehen. Gebäude sollten nicht einem Selbstzweck oder dem Ruhm eines einzelnen dienen, sondern dem Wohl aller zu Gute kommen. In reich bebilderten Schautafeln hatte Frau Mousa anschauliche Beispiele zusammengetragen. Von der Schönheit der Alhambra bei Granada in Spanien spannte sie den Bogen bis zur besonderen Bedeutung von Cordoba als Zentrum der Gelehrsamkeit, in dem muslimische, jüdische und christliche Gelehrte friedlich und konstruktiv zusammenarbeiteten und wichtige Werke antiker Autoren für die Gegenwart bewahrten.

Die Bedeutung der großen orientalischen Flüsse Nil, Euphrat und Tigris, Jordan, Indus und Ganges als Lebensadern der orientalischen Kulturen findet sich wieder in den Gartenanlagen, in deren Mittelpunkt immer die Teichanlage als Quelle des Lebens ihren Platz fand. Ein solches Bild verwendeten auch die Autoren eines der biblischen Schöpfungsberichte. Dass auch unter schwierigen geografischen Gegebenheiten die Kultur des Gartens weiterentwickelt wurde, belegte sie mit Beispielen von terrassenartig angelegten Gärten an zum Teil sehr steilen Hängen, verbunden mit einer erstaunlichen Bewässerungskunst. Als eines der 7 Weltwunder der Antike galten bis in die Gegenwart die „Hängenden Gärten der Semiramis“, eine aufwendige Gartenanlage am Euphrat in Babylon, im heutigen Irak.

Abschließend las Frau Mousa noch ein orientalisches Märchen vor. Das Märchen „Der Wundergarten“ erzählt von Freundschaft und der Kraft der Liebe über Generationen. Nach langer Suche und Wanderschaft, wie der Goldschatz einer Familie am besten eingesetzt werden könne, erweist es sich als die Weisheit des Herzens, der geschundenen Natur, am Beispiel vieler in erbärmlichen Käfigen eingesperrter Vögel, wieder die Freiheit zu schenken. Die Frucht dieser neu gewonnen Freiheit ist das Entstehen eines wunderbaren Gartens, der , im Gegensatz zu den geschlossenen Gärten der damals Mächtigen, den Menschen des Volkes zugänglich gemacht wurden. Und so endet das Märchen:

„Bald darauf erreichten der Weise und seine Schüler und Asan und Hasen und ihre Kinder den Garten, und mit ihnen kamen Arme von überall her. Da sprangen die eisernen Schlösser auf, die Tore öffneten sich sperrangelweit und ließen sie ein. Männer und Frauen, alte und junge, und Kinder strömten in den Garten. Sie gingen auf weichen Blütenteppichen dahin, und die Blüten welkten nicht. Sie tranken klares Wasser aus den Aryks, und das Wasser blieb klar und rein. Sie pflückten Früchte von den Bäumen, und die Früchte wuchsen gleich wieder nach. Den ganzen Tag über tönten im Garten die Klänge der Dombra und lustige Lieder und fröhliches Lachen. Und wenn es Abend wurde und Dämmerung die Erde einhüllte, strahlte ein sanftes blaues Licht von den Früchten aus, und die Vögel sangen leise.“

(Quelle: https://gluecklich.maerchenhaft-leben.de/der-wundergarten/)